Unerwartete Hürden

Projekt "Ey, bist Du behindert?!" führt Jugendliche an die Thematik heran

Lippische Landes-Zeitung Nr. 274; von THOMAS SCHNEIDER im November 2009

Teilnehmer eines Integrationsprojektes lernen durch Hilfsmittel sich wie Blinde zu fühlen. Eine eindrückliche Erfahrung.

Lage. Ganz vorsichtig steigt Valerie die Stufen hinab. In der rechten Hand hält sie einen Blindenstock. An der linken Hand wird sie von ihrem Bruder Raphael gestützt. So tastet sich die 17-jährige Schritt für Schritt vorwärts.

Valerie ist eigentlich nicht blind. Doch eine Spezialbrille täuscht ihr diesen Zustand vor: Sie und Raphael gehören zu den Teilnehmern am Integrationsprojekt "Ey, bist Du behindert?!" des Vereins Zugvogel aus Münster. Dieses soll Kinder und Jugendliche dafür sensibilisieren, sich in die Situation von körperlich eingeschränkten Menschen hineinzuversetzen.

Am Sonntagnachmittag machte das Projekt in der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde (SELK) Station. Diplompädagogin Kirsten Faust führte die zehn Jugendlichen im Alter von 16 bis 20 Jahren in die Gebärdensprache ein und erteilte einen Schnellkurs in Braille-Schrift.

Zudem ließ sie die Teilnehmer selbst ausprobieren, wie es sich anfühlt, im Rollstuhl zu sitzen oder blind zu sein. Die Jugendlichen merkten bei ihrer Erkundungstour in die Umgebung schnell, dass so alltägliche Dinge wie Geld abheben oder das Überqueren einer Ampel zur großen Hürde werden können.

Später schilderten sie überrascht ihre Eindrücke: "Die Ampel hat gar nicht gepiept", sagte die 15-jährige Sandra. "Die Treppe bin ich im Rollstuhl nicht hochgekommen", bemerkte jemand anders. "Es wird einem bewusst, dass man über mehr Sinneswahrnehmungen verfügt als die Augen", erklärte die 19-jährige Magdalena.

Berührungsängste abbauen, neue Freundschaften schließen - und das ganz unabhängig von einer Behinderung - darum geht es laut Kirsten Faust bei "Ey, bist du behindert?!". Man wolle eine breitere Akzeptanz des Themas in der Bevölkerung erreichen. "Schließlich kann so etwas jedem von uns passieren - von heute auf morgen", so Faust.

Nach Lage geholt hatte das Projekt Frank Hille, der Behindertenbeauftragte der Stadt. "Behinderung und Barrierefreiheit sind nicht nur ein Alte-Leute-Thema", findet er. Das Projekt spreche konkret die Jüngeren an und lasse das Thema in das Bewusstsein dieser Altersgruppe rücken. Hille: "Ich bin davon sehr begeistert."


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